Destruktion als konstruktives Prinzip. Dies könnte die passendste Verkürzung sein, um die Bilder von Thomas Fiebig zu beschreiben.
Akribisch gemalte Kritzeleien und Übermalungen, Botschaften in dicken Lettern, die im Bild ad absurdum geführt werden oder Kleinkinderfiguren, die sich Sinnstiftend geben: immer werden Inhalte und ästhetische Formgebung im gleichen Moment konterkariert.

Selbst die Entstehung der Bilder steht im Kontrast zum scheinbar spontanen Chaos auf der Leinwand, Alles ist bis ins letzte Detail am Computer durchkomponiert und wird dann in einem aufwendigen Prozess auf der Leinwand nachvollzogen. Dies schafft Distanz und Perfektion der Umsetzung.

Das Zerstören ist dabei Mittel der Relativierung und Fragmentierung, und letztendlich ja auch immer Vorrausetzung für Neues.

Fiebigs Bildern sind die Suche nach dem Gleichgewicht der Extreme, einer Harmonie die auf dem Paradox beruht.

English

Destruction as a constructive principle. This could be the best way to describe Thomas Fiebig’s work.
Meticulously drawn scribbles and over paintings, messages in large letters which, in the painting, are reduced to absurdity, or meaningful infant characters: contents and aesthetical design are constantly counteracted.

Even the development of the paintings contrasts with the apparent spontaneous chaos on the canvas. Everything is worked out in detail on the computer and is then reproduced on the canvas in a long process. This creates distance and perfection of the transposition.

The destruction process acts thereby as a means for relativisation and fragmentation and ultimately, also always as a condition for something new.
Fiebig’s paintings are the search for a balance of extremes and for harmony based on paradox.


Francais

La déconstruction comme principe constructif. Cela est peut-être le meilleur moyen de décrire l'oeuvre de Thomas Fiebig.

Des griffonnages méticuleux et des repeints, des messages en grandes lettres qui sont réduits à l'absurde, des dessins infantiles insignifiants. Le contenu et la conception esthétiques de l’œuvre sont constamment remis en cause.

Le développement des peintures est en contraste avec le chaos spontané apparent sur la toile. Tout est travaillé sur ordinateur, pour être ensuite reproduit sur la toile par l'intermédiaire d'un long processus. Distance et perfection sont ainsi crées.

Le processus de destruction agit comme moyen de relativisation et fragmentation et en définitive comme condition pour quelque chose de nouveau.
Les peintures de Fiebig sont une quête de l'équilibre des extrêmes et d’une harmonie basée sur le paradoxe.

       
   

„Mutti was soll ich jetzt malen?“

Thomas Fiebig zeigt seine neuen Arbeiten in der Galerie Art Lab

Von Jürgen Kisters / Kölner-Stadtanzeiger-1.9.2005

…Nach einer kleinen Kabinett-Ausstellung im Kunstwerk präsentiert jetzt die Galerie Art Lab seine großformatigen Bilder. Sie kommen mitten aus der Popularkultur und zeigen farbkräftige Szenerien, in denen Elemente aus der Werbung, Gebrauchsgrafik und Mode, malerischer Pop und die bunt- prägnante Ästhetik der Kinderwelt einander durchkreuzen.
„Where is the joke“, das Titilbild zur Ausstellung, zeigt eine wilde Farb-, Form-und Linien-Turbulenz, in der die gegenständliche Welt nur noch in Bruchstücken aufscheint. Im Mittelpunkt steht eine Biene, deren Flug empfindlich gestört ist, Dieses Motiv ist für Fiebig das Sinnbild einer modernen, von prinzipieller Skepsis gekennzeichneten Situation, in der der Mensch von unterschiedlichen und widersprüchlichen Informationen und Einflüssen belagert und zerrissen wird. Es zeigt sich; der Alltag in der gegenwärtigen Kultur ist nur noch ein Taumel aus allerhand diffusen Elementen und Bewegungen. Drückt sich darin die persönliche Erfahrung des Künstlers aus? Oder erfasst seine Malerei seismographisch einen kulturellen Zustand, der allen Menschen mehr und mehr zusetzt?
Dass Fiebig in seinen Bildern immer wieder auf Motive von Kindermal-und Bilderbüchern zurückgreift, spricht für ersteres, Zeigen sie doch einen Künstler, der sehnsüchtig an (s)einer zerbrochenen Kindheit klebt, was nicht zuletzt überdeutlich wird, wenn er eine Spielzeugeisenbahn mit der nackten Mutterbrust, erste Kritzelversuche mit einen Plastikschiffchen kombiniert. Für Zweites spricht wiederum seine geschickte Technik der Kompositionen, die manche Bilder wie das durcheinander geratene Computerprogramm eines Werbegrafikers erscheinen lassen.
Gerade dass Fiebigs Bilder als Patchwork der Verwirrung gleichermaßen grafisch wie malerisch wirken, kennzeichnet ihren besonderen Stil. Auf dem vielleicht interessantesten aller ausgestellten Bilder fragt Fiebig in eingefügten Druckbuchstaben: “Mutti, was soll ich jetzt malen?“ Er bringt damit gleichzeitig seine eigene Ratlosigkeit und die grundsätzliche Orientierungslosigkeit in der zeitgenössischen Malerei zu Ausdruck.
Die Konsequente Schlussfolgerung wäre, keine weiteres Bild mehr zu malen, bevor nicht Mutti eine Anweisung gibt, oder der Maler selbst weiß, wo es langgeht, Obwohl aber weder das eine noch das andere der Fall ist, malt Fiebig dennoch weiter, weil er offenbar nicht anders kann. „Ich habe versucht, mit diesem Bild den Sinn des Lebens zu erfassen, aber es ist mir nur zum Teil gelungen. Trotzdem versuche ich es immer wieder“, schreibt er auf einem anderen Bild, Er offenbart so nicht nur sein ganz persönliches Problem, sondern das prinzipielle Dilemma der zeitgenössischen Kunst. Er weiß, dass die Malerei einst existenzielle und metaphysische Fragen ernsthaft beantwortete, und dass die Gegenwart dagegen nahezu ausnahmslos beliebige Bilder hervorbringt.
Die Sehnsucht, als Künstler auch heute neue, gewichtig-notwendige Bilder zu malen, ist gewaltig. Und doch hat Fiebig, wie viele seiner Kollegen, keine Ahnung, wie und mit welchen Themen diese Bilder gemalt werden könnten. So bringt er das einzige, was möglich ist auf die Leinwand: seine Sehnsucht und seine Verwirrung.


     
     
   

 

Where is the joke?

Petra Nadolny anlässlich der Ausstellung in der Galerie Art-Lab, Köln, 02.07. – 04.09.2005

Dezente Reizsignale unserer alltäglichen Welt sind die Sache von Thomas Fiebig sicher nicht. Eher erwartet den Betrachter ein Fest knallbunter Farben, flächiger Formen und plakativer Gesten, wie wir sie aus der Werbung oder der Boulevardpresse kennen.

Fiebig will die Show! Das ist schon mal klar. Das offenbaren auch seine für den Rezipienten nicht zu unterschätzenden, oft verwandten, verbalen Reize: „Mutti, was soll ich jetzt malen?“ oder „Also, ich möchte mal zu Hause sterben!!!!“ Und schon drängt sich die Frage auf, ob die hier aufs Banalste heruntergezogenen Slogan den Betrachter nur etwa zum Zuschauer niedrigster Unterhaltung machen, oder wie Theodor W. Adorno misstrauisch vermutet: „...dass die Kunst, wenn sie erheitert, zur Ideologie verkommt...“?

Doch Fiebig konterkariert. Er bringt uns in Distanz zu dem, was uns geläufig ist: mit Bildmotiven aus der Kinderbuchecke – da feiern Kleinkindfiguren die Passion als Kindergeburtstag oder ragen aus dem flächigen Nichts in den stilisierten Himmel - oder mit Assoziationen, die abstrakten Farbflächen entspringen oder vollzogenen, akribisch gemalten Zerstörungen. Sobald wir glauben, eine Botschaft zu entdecken, wird sie ad absurdum geführt. Inhalte, die sich gegenseitig aufheben, werden zum Abbild medialen Durcheinanders, wo Meinungen, Aussagen und Absichten zum Rauschen werden. Und somit wird mehr als nur eine Show daraus.

Existenzielle Fragestellungen offenbaren sich auf der Suche nach Sinn und Unsinn. In fast allen Arbeiten müssen wir mit ansehen, wie sich das mühsam Erschaffene selbst zerstört. Fiebig als Sisyphus: „Das Leben ist doch mehr als nur Destruktion und bunte Farben“, wie es in einem seiner Werke provokativ zum Bildinhalt heißt.
Fiebigs Acryl-Bilder gleichen Collagen und sind konstruiert bis ins Detail, nichts ist dem Zufall überlassen, alles scheint einem Konzept zu folgen. Folglich müssen wir ihn ernst nehmen. Er setzt auf malerische Perfektion auch dann, wenn er mit den akribisch schönen Krickel-Krakel-Zerstörungen uns völlig der Irritation überlässt.
Das ist die Show!